Eine kleine Geschichte des Schuhhandwerks
Schuster, bleib bei deinen Leisten! Dieses Sprichwort kennen wir wohl alle. Wir benutzen es, um deutlich zu machen, dass jemand in seinem Fachgebiet bleiben soll, das zu machen, was man kann. Das Sprichwort entstand in einer Ausstellung des berühmten Malers Apelles im alten Griechenland. Ein Schuhmacher kritisierte, dass auf dem Bild ein Schuh falsch gezeichnet wurde, es fehlte eine Öse. Apelles korrigierte es auch gern. Am nächsten Tag kam der Schuster wieder und bemängelte auch die Form des Beines und andere Kleinigkeiten. Da rief der Maler erzürnt auf: Ne sutor supra crepidam! (Urteile nicht über deinen Leisten hinaus). Eine schöne Anekdote, die uns zeigt, dass es damals schon Schuhmacher gab und, dass eines der wichtigsten Hilfsmittel, der Leisten, auch schon fest mit dem Herstellen von Schuhen verbunden war. Wir haben uns einmal näher mit dem Schuhmacher oder Schuster beschäftigt und wollen Ihnen eine kleine Geschichte des Schuhhandwerks erzählen.
Woher kommt die Bezeichnung Schuhmacher eigentlich?
Schuhmacher und Schuster bezeichnen beide ein und dasselbe Handwerk. Offiziell ist die Bezeichnung Schuhmacher. Das mittelhochdeutsche Wort Schuster setzt sich aus der offiziellen Bezeichnung und dem lateinischen Wort Sutor für Näher zusammen. Im Altgriechischen, in dem unsere Anekdote der kleinen Geschichte des Schuhhandwerks spielt, sprach man von Lederarbeitern oder Lederschneidern. Auch im Lateinischen nennt man den Schuhmacher Ledernäher, eben Sutor. Dies kommt daher, dass die Hauptarbeit des Schuhmachers bei der Fußbekleidung der Römer das Zusammennnähen der Schaftteile und des Schaftes sowie Bodens der Schuhe war. So grenzten sich die richtigen Schuhmacher von den Sandalenfertigern, die nicht so ein hohes Ansehen genossen, ab. Später, ab dem Mittelalter gab es noch die Flickschuster, die lediglich ausbesserten und versuchten zu retten, was noch zu retten war, und die Altmacher. Die Altmacher kauften alte Schuhe, besserten diese aus und verkauften sie wieder.
Aufgaben und Handwerkszeug eines Schuhmachers
Schuhmacher fertigen Schuhe, reparieren sie und bieten Serviceleistungen wie allgemeine Schuhpflege, das Umfärben von Schuhen oder Passformberatungen an. Manche Schuster führen auch Sattler- und Täschnerarbeiten aus. Das Handwerkszeug eines Schuhmachers hat sich im Laufe der Jahrhunderte eigentlich kaum verändert. Einige Handwerkszeuge wurden durch Maschinen ersetzt. Pneumatische Pressen ersetzen das Anklopfen der Sohle mit einem Schusterhammer und Klopfstein. Außerdem braucht ein Schuster verschiedene Zangen wie zum Beispiel eine Faltenzange, um die Oberlederfalten an Spitze und Ferse zu setzen. Ein Kneipmesser zum Beschneiden von Sohlen und Absätzen, Täcksheber zum Herausziehen von Nägeln oder auch unterschiedliche Ahlen zum Vorstechen der Nahtlöcher im Leder gehören neben vielen weiteren Werkzeugen und Hilfsmitteln ebenfalls dazu.
Kleiner Rundgang durch die Geschichte des Schuhhandwerks
Schon auf alten Höhlenzeichnungen sehen wir, dass die Menschen so etwas wie Schuhe besaßen, um die Füße vor den Witterungseinflüssen zu schützen. In den kälteren Regionen wurden wohl Felle und Leder um die Füße gewickelt. Aus diesen Provisorien der Neandertaler wird sich über die Jahre der heutige Stiefel entwickeln. In wärmeren Gebieten dienten Blätter als Schutz gegen den heißen Boden. Dies waren die Vorläufer der Sandale, die zuerst belegt in Ägypten 5000 Jahre v.Chr. gefertigt wurden. Die typische Fußbekleidung der Ägypter finden wir auch heute noch in Form der Zehenstegsandalen, auch Flip-Flops genannt. Doch archäologische Funde zeigen auf, dass in der Zeit zwischen mit Tierfellen umwickelten Füßen und ägyptischer Sandale durchaus schon Schuhe getragen wurden. Die ältesten Hinweise finden sich in der Zeit vor ungefähr 40.000 Jahren. Ob es zu dieser Zeit schon Schuhmacher gab, weiß man nicht so genau, aber in kupferzeitlichen Funden wie beim Ötzi sind eindeutig gefertigte Schuhe mit Sohle und Schäften nachweisbar.
Die Geschichte des Schuhhandwerks bis zur maschinellen Schuhproduktion
Die Antike
Die ersten belegten Schuhmacher gab es, wie unsere Anekdote mit dem Maler Apelles zeigt, in der griechischen und römischen Antike. Der Beruf des Schuhmachers begann sich etwa 5000 Jahre vor Christus von dem des Gerbers abzugrenzen. Dieser Prozess dauerte aber bis ins 18. Jahrhundert an, denn die Schuhmacher stellten ihr Leder auch selbst her. Bis dahin fertigten die Gerber wohl auch die Lederschuhe, die durchaus schon getragen wurden.
Größtenteils trug man aber Sandalen oder in den kälteren Regionen Fellstiefel. Bei den Römern gab es die erste Berufsbezeichnung für diejenigen Handwerker, welche den Calceus, die typische römische Fußbekleidung, herstellten. Dies war ein knöchelhoher Stiefel, der geschlossen oder zehenfrei sein konnte und der außer Haus getragen wurde. Im Haus oder zur einfachen Tunika trug man Sandalen, die nicht besonders schwer in der Herstellung waren. Die Calceolarii, wie sich die ersten römischen Schuhmacher daher auch gern nennen ließen, wollten sich von den Sandalenmachern (Sandeleres) abgrenzen, um auf die deutlich höhere Handwerkskunst, die sie ausführten, hinzuweisen.
Als der Einfluss des Christentums immer größer wurde, lösten immer mehr geschlossene Schuhe die Sandalen ab. Das hängt mit dem Sündenfall der Zurschaustellung des Körpers zusammen, zu dem auch die Füße zählen. Nackte Füße zu zeigen, galt also nicht nur als unfein, sondern war eine große Sünde, die ein braver Christ natürlich vermeiden musste. Ein Glück für die Schuhmacher, die nun mehr und mehr gefordert waren. Konnten einfaches Schuhwerk wie Sandalen oder Pantoffeln noch von vielen Menschen selbst hergestellt werden, sah das bei richtigen geschlossenen Schuhen schon ganz anders aus.
Professionalisierung des Schuhhandwerks im Mittelalter
Im Mittelalter wurde das Handwerk durch Zünfte professionalisiert. Zweck der Zünfte war es, die Interessen des Handwerks in den Städten zu vertreten und es zu fördern. Dabei gab es tolle Nebeneffekte, wie die vorgeschriebenen Ausbildungen zum Handwerker, Kataloge von Tätigkeiten, die zu einem Berufsbild gehören und das Achten der Einhaltung beruflicher Standards und Ethiken. Ab dem 14. Jahrhundert gab es sogar den Zunftzwang. Kein Handwerker durfte seine Tätigkeit ausführen, ohne der für ihn zuständigen Zunft anzugehören. Auf dem Zunftwesen basieren noch heute unsere Ausbildungen, Berufsverbände und Innungen. So wie Schuhe zu den ältesten Kleidungsstücken der Menschen gehören, gehört das Schuhmacherhandwerk zu den ältesten Zünften. Schon im frühen 12. Jahrhundert wurde die Zunft des Schuhhandwerks gegründet.
Ab dem 16. Jahrhundert war nach der 2- bis 3-jährigen Lehrzeit zum Schuhmacher die Wanderschaft vorgeschrieben. Drei Jahre dauerte die Gesellenzeit mit den Wanderjahren, in denen die Schuster in anderen Städten und Ländern anheuerten. In den Wanderjahren vergrößerten sie ihr Wissen und ihre Handwerkskunst, lernten weitere Techniken, kulturelle Besonderheiten und Stile kennen. Danach folgte noch eine sogenannte Ersitzzeit bei einem oder zwei Meistern. Erst dann konnte der Geselle die Meisterprüfung ablegen und der Schuhmacher seinen eigenen Betrieb eröffnen.
In manchen Städten war dies auch mit Meisterbrief kaum zu schaffen, weil man den Besitz eines Hauses nachweisen musste. Dies hängt damit zusammen, dass die Werkstätten, Lagerräume und Wohnräume im Haus des Schusters untergebracht waren. Zusätzlich mussten auch noch Wohnräume für die Lehrlinge und Ersitzer zur Verfügung stehen, denn diese wohnten im Haus des Meisters. So kam es nicht selten vor, dass Schuhmacher bis zu ihrem Lebensende als Gesellen bei einem Meister arbeiteten.
Geschichte des Schuhhandwerks vom späten Mittelalter bis zur Industrialisierung
Wie wir schon erwähnt haben, gehörte auch die Herstellung des Leders bis ins 18. Jahrhundert zu den Arbeiten eines Schuhmachers. Bis dahin blieb auch die Schuhherstellung quasi unverändert. Über den vorher genau angefertigten Leisten schlugen die Schuhmacher dann das Leder. Dann kam der Rohling in den Nähkolben und Vorder- und Hinterteil wurden zusammengenäht. Das Futter wurde eingezogen und die Brandsohle angeheftet. Ganz am Ende befestigte der Schuster dann noch den Absatz am Schuh. Absätze wurden seit dem 13. Jahrhundert an Schuhe angebracht. Warum genau die Schuhmacher die Schuhe nun mit Absätzen ausstatteten, ist nicht genau belegt. Eine Erklärung ist die, dass die Schuhe durch die Absätze vor dem Schmutz und der Gülle auf den mittelalterlichen Straßen schützen sollten. Eine andere Erklärung meint, dass man die Absätze gut in die Steigbügel beim Reiten einrasten lassen konnte und somit sicherer saß.
Im 18. Jahrhundert begann die Macht der Zünfte zu schwinden und der Zunftzwang wurde aufgehoben. Der Staat übernahm nun die Gewerbeaufsicht. Einige Jahrzehnte später wurde die Nähmaschine eingeführt und circa 1870 begann die Fabrikproduktion von Schuhen und immer mehr Menschen wanderten in die Schuhgeschäfte ab. Die in der Fabrik produzierten Schuhe waren sehr viel kostengünstiger und so wurde unser angesehener Schuhmacher zum Flickschuster. Nur die orthopädischen Schuhmacher bleiben als spezieller Berufszweig erhalten.
Das Schuhhandwerk heute
In der heutigen Zeit angekommen, endet auch unsere kleine Geschichte des Schuhhandwerks. Waren bis zur maschinellen Produktion von Schuhen als Massenware alle Schuhe handgefertigt, ist die Produktion in Handarbeit heute sehr selten geworden. Es ist sehr zeitaufwändig. Bis zu 40 Stunden kann es dauern, bis ein maßgearbeiteter Schuh entsteht. Die Schuhmacher, die noch richtig Schuhe in ihren Manufakturen herstellen, setzen sich auch mit dem Begriff Maßschuhmacher von ihren Kollegen in den Flickschustereien ab. Aber es gibt sie noch. Auch im Gisy-Schuh-Shop finden sie handgefertigte Schuhe bekannter Designer aus Deutschland und Italien.
Neben den orthopädischen Schustern arbeiten sonst nur noch Theater- und Ballettschuhmacher in der alten Traditionskunst als echte Schuster. Die meisten Schuhmacher arbeiten in Reparaturbetrieben. Hier brauchen sie weniger das Wissen darum, wie man einen guten Schuh anfertigt, sondern mehr das Wissen über viele verschiedene Materialien und Klebetechniken. Außerdem ist das Beherrschen der Nähkunst wichtig. Das Herstellen eines Maßschuhes ist immer noch Bestandteil der Gesellenprüfung, so dass auch mit geklebter Massenware das alte Handwerk nicht verlernt wird.
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